Was ist Body Positivity eigentlich genau?

Wer den Begriff Body Positivity hört, denkt man fast unweigerlich an eine dicke Frau. Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Begriff jedoch eine deutlich vielfältigere zeitgenössische Bewegung. Das Begriffs-Problem wird noch komplexer, wenn man sich fragt, was Body Positivity eigentlich jenseits dieses Body Positivity Movements bedeutet. Was heißt Body Positivity – was genau ist denn ein positives Körperbild? Warum fällt es uns so schwer ein positives Körperbild aufzubauen und wie kann man Body Positivity lernen?

Inhaltsverzeichnis

Body Positivity Movement – Body Positivity als ganze Bewegung

Wer den Begriff Body Positivity hört, denkt man fast unweigerlich an eine dicke Frau.

Tatsächlich verbirgt sich hinter dem Begriff jedoch eine deutlich vielfältigere zeitgenössische Bewegung, die für Akzeptanz von Körpern jeglicher Form, Größe und Erscheinung einsteht.

In den vergangenen Jahren hat dieses Body Positivity Movement vor allem über die sozialen Medien weite Kreise gezogen: Bildfokussierte Social Media Plattformen wie Instagram und TikTok werden genutzt, um Schönheitsideale herauszufordern und Körpervielfalt zu bewerben. Hier zirkulieren unter dem Body Positivity Hashtag #bodypositive Posts, in denen sowohl Männer, aber vor allem Frauen über ihre eigenen Erfahrungen mit Essstörungen berichten, Körperstigmen und -mythen konfrontieren und gesellschaftliche Erwartungen an den Körper bekämpfen. Fokussiert werden dabei unter anderem Themen wie Cellulite, Akne, Schwangerschaftsstreifen, behaarte Körper, menstruierende Körper, dicke Körper, dünne Körper, behinderte Körper und vieles mehr.

Body Positivity ist eine ganze Bewegung, die für Körpervielfalt steht

Body Positivity und das positive Körperbild

Auch wenn Body Positivity also sehr vielseitig ist und unterschiedlich aussehen kann, assoziieren viele den Begriff immer noch ausschließlich mit dem Thema Übergewicht.  

Das Begriffs-Problem wird noch komplexer, wenn man sich fragt, was Body Positivity eigentlich jenseits des Body Positivity Movements bedeutet.

Was heißt Body Positivity – was genau ist denn ein positives Körperbild?

Keine leicht zu beantwortende Frage. Denn die Beliebtheit der Body Positivity Bewegung steht in einem starken Kontrast zur wissenschaftlichen Untersuchung des positiven Körperbilds, die nach wie vor in den Kinderschuhen steckt.

Körperbild-Forschung an sich wird tatsächlich bereits seit fast einem Jahrhundert betrieben. Lange Zeit war sie jedoch eher an der pathologischen Seite und damit an Körperbildstörungen interessiert. Die adaptive Seite – das positive Körperbild – wurde weitestgehend vernachlässigt.  Bis vor wenigen Jahren gab es in Wissenschaftskreisen noch nicht einmal Vorschläge einer Definition für das positive Körperbild.

Geschlossen wurde diese Lücke erst 2010 von Wood-Barcalow, Tylka und Augustus-Horvath, die das positives Körperbild wie folgt definieren:

Body Positivity Definition

„An overarching love and respect for the body that allows individuals to (a) appreciate the unique beauty of their body and the functions that it performs for them; (b) accept and even admire their body, including those aspects that are inconsistent with idealized images; (c) feel beautiful, comfortable, confident, and happy with their body, which is often reflected as an outer radiance, or a ‚glow‘; (d) emphasize their body’s assets rather than dwell on their imperfections; and (f) interpret incoming information in a body-protective manner whereby most positive information is internalized and most negative information is rejected or reframed.“

Ein positives Körperbild zu haben, bedeutet demnach

  • eine umfassende Liebe und Respekt für den eigenen Körper zu empfinden,
  • die einzigartige Schönheit und Funktionen des Körpers zu schätzen,
  • den Körper einschließlich der nicht idealisierten Aspekte anzunehmen und zu bewundern,
  • sich schön, wohl und selbstbewusst zu fühlen,
  • die Stärken des Körpers hervorzuheben und
  • negative Informationen zum Körper abzuwehren oder umzudeuten.

Ganz einfach also…

Den eigenen Körper lieben und akzeptieren: Warum fällt uns Body Positivity eigentlich so schwer?

Warum aber fällt es uns so schwer, ein positives Körperbild aufzubauen und zu halten? Auch diese Frage zu beantworten, ist nicht leicht.

Grundsätzlich besteht ein gewisser Druck seitens der Gesellschaft sich bestehenden (Körper-)Normen anzupassen. Der eigene Körper gilt als Ausdrucksmittel der sozialen Positionierung und wer gesellschaftlich ‚mithalten‘ möchte, kann sich dem Schönheitsideal kaum völlig entziehen. Deshalb ist auch fast niemandem das eigene Aussehen vollkommen egal. Und weil man nicht allen Schönheitskriterien entsprechen kann, leidet das Körperbild schnell mal unter den eigenen Unsicherheiten.

Verstärkt wird das Ganze über die Medien. Sie verbreiten Attraktivitätsstandards konstant und tagtäglich, was dazu führt, dass die gesellschaftliche Bedeutung körperlicher Attraktivität verstärkt und automatisch zum Bewertungsmaßstab wird, der den gesellschaftlichen Druck auf Frauen und Männer vergrößert.

Koerperbild und Social Media
Filme, Serien und Social Media beeinflussen unser Körperbild und unsere Zufriedenheit mit dem eigenen Körper

Body Positivity Vor- und Nachteile

Body Positivity hat das Potenzial eine gesellschaftliche Veränderung voranzutreiben

Im Angesicht dieser gesellschaftlichen und medialen Drucksituation ist Body Positivity eine Bewegung, die klare Vorteile mit sich bringt und subvesives Potenzial hat:

Indem Body Positivity Influencer unsere zeitgenössische Körperobsession und unrealistische, oftmals digital überhöhte Körperideale aufdecken, entstehen Chancen zur gesellschaftlichen Veränderung im Denken und Handeln. Das von Schönheitsidealen angetriebene System kann so sicher nicht von jetzt auf gleich ausschalten, aber Body Positivity Content liefert eine Möglichkeit der Sichtbarmachung und damit zur Verständigung und Transformation. Denn Sichtbarkeit ist ein wesentlicher Aspekt der Herstellung von Normalität und sozialer Wirklichkeit.

Mit anderen Worten: Wer mit der eigenen Cellulite, dem Gewicht oder einer körperlichen Besonderheit hadert, findet unter #bodypositivity in den Sozialen Medien Gleichgesinnte, kann sehen, dass man weder mit dem vermeintlichen „Makel“ allein ist, noch dass dieser den eigenen Wert mindert. Die digitale Vernetzung schafft so eine unterstützende Gemeinschaft, die nicht nur Trost spendet, sondern auch das Selbstbewusstsein stärkt und zu einem positiveren Körperbild beitragen kann.

Body Positivity Kritik: Eine Verherrlichung von ungesundem Übergewicht?

Gerade wenn es um den nach wie vor überwiegend mit Body Positivity assoziierten Gewichtsaspekt geht, steht die Body Positivity Bewegung aber auch in fortwährender Kritik. Body Positivity würde starkes Übergewicht verherrlichen, behaupten Gegner der Bewegung. „Übergewichtige seien aber schlichtweg unattraktiv.“, heißt es dann bei wenig reflektierten Gegnern, „Übergewicht ist ungesund.“, bei den etwas reflektierteren. Und tatsächlich kann starkes Übergewicht in Form von Adipositas gesundheitliche Risiken mit sich bringen.

Viele Essstörung- und Adipositas-Experten plädieren deshalb für Body Neutrality anstatt Body Positivity. Während Body Positivity den Fokus auf Schönheitsideale und das Aussehen von Körpern legt, geht es bei Body Neutrality um den Erhalt gesunder Körperfunktionen. Im Mittelpunkt steht auch hier die Wertschätzung des eigenen Körpers – aber nicht auf Grundlage seines Aussehens, sondern auf der Grundlage dessen, was er zu leisten vermag. Diese Perspektive könne Prävention und Therapie von Essstörungen und Adipositas erleichtern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Betroffenen verbessern, so die Experten.

Body Positivity vs Body Neutrality

Wer unter Adipositas leidet und 5-10% an Gewicht verliert, ändert wahrscheinlich noch nichts an seinem Erscheinungsbild. Laut der Weltgesundheitsorganisation kann sich dieser Gewichtsverlust aber bereits positiv auf die Gesundheit auswirken. In solchen Fällen kann die Body Neutrality Perspektive die Prävention und Therapie von Essstörungen und Adipositas erleichtern. Denn anstatt abzunehmen, um schlanker auszusehen, geht es hier beim Abnehmen um den Erhalt der gesunden Körperfunktionen.

Body Positivity lernen

Die Perspektive ändern

Body Neutrality als gedanklicher Perspektivwechsel kann also dabei unterstützten, ein positives Körperbild aufzubauen, indem die Wertschätzung des eigenen Körpers weg vom Aussehen und hin zur gesunden Funktionalität verschoben wird.

Eine solche Änderung der Betrachtungsweise ist jedoch weder leicht noch schnell erlernt. Denn wie bereits erwähnt ist aufgrund der Stellung des Körpers als Ausdruck der gesellschaftlichen Positionierung fast niemandem das eigene Aussehen vollkommen egal und die mediale Verbreitung von Schönheitsidealen bei gleichzeitiger medialer Stigmatisierung von bestimmten Körpertypen befeuern diese Denkweise zusätzlich.

Das Problem ist also komplex und verlangt daher auch nach einer vielschichtigen Lösung. Die Body Positivity Bewegung kann insofern und trotz ihrer teilweise berechtigten Kritik und ihrer Fokussierung auf das Aussehen von Körpern durch die Sichtbarmachung von Körpervielfalt zur Problemlösung beitragen.

Medienkompetenz stärken

Daneben kann aber auch eine verbesserte Medienkompetenz eine positive Körperwahrnehmung weiter stärken. 2013 erschien eine Studie, die aufzeigte, dass jede dritte Frau im deutschen Fernsehen untergewichtig ist und zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben aufgezeigt, dass übergewichtige bzw. mehrgewichtige Figuren meist stigmatisierend und diskriminierend dargestellt werden. Wer diese medialen Mechanismen kennt und ein Verständnis über die Darstellung von Körpern in Film, Serie und Social Media entwickelt, kann auch eine bessere innere Distanz aufbauen, sich negativen Medienwirkungen entziehen und so die eigene Körperwahrnehmung und Körperzufriedenheit schützen.

Medienkompetenz aufbauen und Körperbild stärken

Schütze dich und deine Körperwahrnehmung vor negativen Medienwirkungen

Dranbleiben

Sowohl Body Positivity als auch Body Neutrality sind wertvolle Ansätze, um dem gesellschaftlichen und medialen Körper- und Schönheitsdruck entgegenzuwirken und ein gesünderes Verhältnis zum eigenen Körper zu entwickeln. Diese Arbeit am eigenen Körperbild ist jedoch ein fortlaufender Prozess, der Zeit und Reflexion erfordert, aber letztlich dazu führen kann, sich von unrealistischen Schönheitsidealen zu lösen. Durch das Bewusstsein für mediale Einflüsse und das aktive Arbeiten an der eigenen Körperwahrnehmung können wir beginnen, uns selbst und andere mit mehr Akzeptanz und Mitgefühl zu betrachten. Der Weg zu einem positiven Körperbild ist individuell und oft herausfordernd, aber die Auseinandersetzung damit ist ein wichtiger Schritt zu mehr Selbstliebe und innerer Zufriedenheit.

Quellen:

Cwynar-Horta, Jessica. „The Commodification of the Body Positive Movement on Instagram“ Stream 8/2, 2016, 37–56.

Gießelmann, Kathrin: „Körpergewicht: ‚Body Neutrality'“, Ärzteblatt, PP 22, Ausgabe November 2023, Seite 511. URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/235228/ (Zuletzt aufgerufen am: 16.08.2024).

Sastre, Alexandra. „Towards a Radical Body Positive. Reading the Online ‚Body Positive Movement‘“ Feminist Media Studies 14/6, 2014, 929–943.

Tylka, Tracy L. „Overview of the Field of Positive Body Image“ In: Body Positive, hg. von Charlotte H. Markey, Elizabeth A. Daniels und Meghan M. Gillen, Cambridge: Cambridge University Press, 2018, 6–33.

Wood-Barcalow NL, Tylka TL, Augustus-Horvath CL. „But I Like My Body“: Positive body image characteristics and a holistic model for young-adult women. Body Image. 2010 Mar;7(2):106-16. doi: 10.1016/j.bodyim.2010.01.001. Epub 2010 Feb 13. PMID: 20153990.

Bilder: 

KI-generiert (Microsoft Designer)

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