Herauszufinden, was man beruflich machen möchte, ist eine wirklich knifflige Aufgabe. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft und auch wir selbst uns bei der Suche nach "dem Traumjob" jede Menge Fallen stellen.

Inhaltsverzeichnis

Ein rasanter Abstieg

Als ich fünf Jahre alt war, machte mein Kinderarzt spielerisch ein paar Intelligenz- und Kombinatorik-Tests mit mir. „Anzeichen auf Hochbegabung”, vermerkte er in seinen Notizen. Auf dem Gymnasium wurde ich in eine G8-Versuchsklasse eingeladen, übersprang damit die 11. Klasse und verkürzte meine Schulzeit von dreizehn auf zwölf Jahre. Im Studium setzte sich das Spiel fort: Ich schloss meinen Bachelor unter den 10% Jahrgangsbesten der gesamten Universität ab und für meinen internationalen Master, den ich an drei europäischen Unis verbrachte, erhielt ich einen Joint Degree mit der Gesamtnote 1,0. Noch vor meinem 30. Lebensjahr erhielt ich meinen Doktortitel mit Auszeichnung magna cum laude.

Und dann kam der Bruch: Seit meinem Promotionsabschluss, seit 4 Jahren, ging es stetig bergab. Ich arbeitete in einer Agentur, die ich aus persönlichen Gründen verlassen musste. Während der Pandemie war ich dann ein volles Jahr lang arbeitslos. Mein Selbstwert war bereits angeschlagen und wurde von den niederschmetternden Kommentaren der Jobinterviewer noch weiter gedrückt, sodass ich es einfach nicht schaffte, einen Job an Land zu ziehen. Ich startete einen zweiten Anlauf bei meinem vorherigen Arbeitgeber in der Agentur und fuhr ein weiteres Mal gegen die Wand, kündigte, fing einen neuen Job an, kündigte sofort wieder, begab mich wieder auf Jobsuche und dann… fand ich den Knoten in meiner Brust.

Jetzt bin ich 33, arbeitslos, schwerbehindert und beziehe während meiner Krebstherapie Krankengeld. Und es fällt mir verdammt schwer mich selbst nicht als Versagerin wahrzunehmen.

Eine neue Karriere finden

Seit meiner Brustkrebsdiagnose habe ich vor allem eines: Zeit zum Nachdenken. Das ist nicht immer gut, denn Nachdenken kann auch in kreisende Grübeleien übergehen und einen unglücklich machen. Aber nachzudenken ist für mich momentan immer noch besser als durch ziellosen Aktionismus in ein neues Hamsterrad einzusteigen, das mich nur unglücklich und krank macht. Also versuche ich mir die Ruhe und Zeit zu nehmen, um Antworten auf für mich wichtige Jobfragen zu finden. Und langsam habe ich wieder das Gefühl Klarheit über meine Karriereansprüche und Jobziele zu gewinnen.

Ein Traumjob für ein erfülltes Leben

Mein bisheriger Werdegang macht klar: Meine Arbeit ist mir wichtig. Oder weiter gefasst: Mein Tun ist mir wichtig. Es ist mir nicht egal, was ich tagein tagaus mache. Ein Job kann für mich nicht einfach nur ein Job sein. Und damit bin ich nicht allein: Einen Beruf zu finden, der einem Freude bereitet, gehört für viele zu den zentralen Voraussetzungen für ein erfülltes Leben.

Eine große Hürde für mich war bisher die simultane Verknüpfung von zwei sehr komplizierten Ambitionen und auch damit bin ich nicht allein: Ich möchte einen Job, der meinem Wesen entspricht, aber gleichzeitig auch für ein sicheres Einkommen sorgt. Beides zusammen konnte ich bislang nicht erreichen. Ich habe entweder erfüllende Arbeit unter schlechten Rahmenbedingungen geleistet oder aber ich saß im goldenen Käfig und habe für mich wenig befriedigende Aufgaben erledigt.

Wie also finde ich einen Job, der beides vereint?

"Einen Beruf zu finden, der einem Freude bereitet, gehört für viele zu den zentralen Voraussetzungen für ein erfülltes Leben."

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Früher hatte ich auf die Frage nach meinem Karriereweg eine klare Antwort: Wissenschaftskarriere. Ich wollte Professorin werden. Aber das niedrige Einkommen, befristete Verträge und eine zugegebenermaßen schlechte Planung meines Karrierewegs haben mich damals diesen Traum aufgeben lassen.

Seit vier Jahren plagt mich nun die Frage, welchen neuen Weg ich einschlagen sollte. Ich biege mir zwischenzeitlich sehr fragwürdige, unpassende neue Wege für mich zurecht und kann damit natürlich niemandem gerecht werden – am allerwenigsten mir selbst.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß.“, ist ein bekanntes Zitat des antiken Philosophen Sokrates. Und das war für mich in den letzten Wochen und Monaten mein erster schwerer Schritt: zuzugeben, dass ich nicht weiß, wie und wo es beruflich mit mir weitergehen soll. Leider neigen wir alle viel zu oft dazu, Verwirrung über unseren Karriereweg als peinliches Versagen zu betrachten. Aber wenn man länger darüber nachdenkt, ist es eigentlich völlig normal nicht zu wissen, welche Arbeit dem eigenen Wesen entspricht Die Natur eines Menschen ist so komplex, seine Fähigkeiten sind so schwierig im Detail zu definieren, die Bedürfnisse der Welt so schwer zu fassen, dass die Suche nach der besten Übereinstimmung zwischen sich selbst und einem Job eine echte Herausforderung ist. Und oft ist es ein Zeichen der Reife zuzugeben, dass man etwas nicht weiß, anstatt sich selbst mit der Annahme zu bestrafen, dass man es wissen sollte.

Achtung Falle(n)!

Der Prozess, herauszufinden, was man beruflich tun (oder als nächstes tun) möchte, sollte als das erkannt werden, was er ist: eine wirklich knifflige, komplizierte und herausfordernde Aufgabe.

Ein bisschen ist es auch als würde man versuchen einen Blick in die Glaskugel zu werfen: Man versucht, etwas Passendes für jemanden zu finden, den wir unmöglich vollständig kennen können – uns selbst zu einem späteren Zeitpunkt. Man verändert sich, die Rahmenbedingungen verändern sich, ganze Branchen lösen sich auf oder werden neu geschaffen. Wie also soll man unter diesen Umständen einen lebenslangen Karriereweg vordefinieren?

Hinzu kommt, dass die Gesellschaft und auch wir selbst uns bei der Suche nach Traumjob und Traumkarriere jede Menge Fallen stellen.

 

Die Gesellschaft und auch wir selbst stellen uns bei der Suche nach Traumjob und Traumkarriere jede Menge Fallen

Die Perfektionsfalle

Eine Falle, in die ich immer wieder und in den unterschiedlichsten Kontexten hineintappe, ist die Perfektionsfalle. Rückschläge oder eigene Fehler zu akzeptieren, fällt mir sehr schwer. Ich interpretiere sie schnell als persönliches Versagen.

Um in unserer modernen, sich stetig verändernden Welt anpassungsfähig und relevant zu bleiben, werden viele von uns Meister der Selbstkritik. Wir werden teilweise sogar so gut darin, dass wir als Reaktion auf bestimmte berufliche Rückschläge eine so große Selbstverachtung entwickeln, dass es uns irgendwann schwerfällt, überhaupt aus dem Bett aufzustehen.

Das liegt auch daran, dass wir uns oftmals mit den erfolgreichsten Vertretern der eigenen Traumkarriere vergleichen und meinen, dasselbe erreichen zu können oder zu müssen. Im Idealfall sollte man sich besser auf realistische Ambitionen in praktischer Reichweite beschränken. Das bedeutet keinesfalls aufzugeben. Im Gegenteil: Sobald man sich von der Last des unerreichbaren Ideals befreit, macht man meist die größten Fortschritte.

Ich selbst habe mir jedenfalls vorgenommen gegen meinen Perfektionswahn vorzugehen – auch bei der Jobsuche.

 

Die Vernunftfalle

Manchmal nehmen wir Jobs an, weil es scheinbar ‚das Richtige ist‘, dies zu tun. Diese Art von Jobs versprechen häufig Sicherheit in einer kompetitiven und immer teurer werdenden Welt. Es handelt sich um eine rationale, vernunftgetriebene Entscheidung für eine Karriere.

In diese Vernunftfalle bin ich ebenfalls bereits getappt, als ich nach der Promotion entschieden habe meinen Teilzeitjob im Online Marketing zu einem Karriereweg auszubauen. Ich sollte eine Online Marketing Akademie aufbauen und deren Leitung übernehmen. Der Job war sicher, das Gehalt gut, die Branche zukunfts- und die Rolle prestigeträchtig.

Das Problem ist, dass solcherlei vernunftgetriebenen Karriereentscheidungen in Wahrheit keine Garantie für echte Sicherheit sind, denn:

  1. Großen Erfolg in seinem Job hat meist nur der, der außergewöhnliches Engagement mitbringt. Und das machen in der Regel nur Personen, die mit Spaß und Leidenschaft am Thema dran sind.
  2. Nur wenn man wirklich Spaß an und mit der eigenen Arbeit hat, kann man auch die Freude anderer am Thema wirklich verstehen und nachempfinden. Mit anderen Worten: Man kann sich dann in die Kunden und andere Stakeholder viel besser hineinversetzen und damit wieder bessere Erfolge erzielen.

Meine Wahrheit ist: Ich bin weit davon entfernt für Online Marketing zu brennen. Es ist für mich ein Instrument, ein Mittel zum Zweck, mehr nicht. Ich verbinde keine Leidenschaft damit (keine Ahnung wie manchen bei Metadaten, Ladezeitoptimierung und Keywords das Herz höher schlagen kann…). Entsprechend war ich in der Arbeit oftmals demotiviert, schnell gelangweilt, inhaltlich unterfordert und menschlich überfordert und konnte mich in die Zielgruppe kaum hineinversetzen.

Es bringt einfach nichts, den Karren seitwärts zu schieben: Um wirklich gut zu sein und einen Mehrwert für Arbeitswelt und Gesellschaft leisten zu können, muss man die authentischsten Seiten der Natur in die Arbeit einbringen und nicht den Job ergreifen, der auf dem Papier als ‚die vernünftigste Entscheidung‘ erscheint.

 

Die Investitionsfalle

Eine Falle, vor der ich akut stehe, ist die Investitionsfalle: Ich bin 33 und habe mich entschieden meinem zuletzt ergriffenen Karriereweg den Rücken zu kehren. Egal wohin es für mich weitergeht: ich werde wieder von vorne anfangen und damit einiges investieren müssen, zumindest mal Zeit und harte Arbeit. Höchstwahrscheinlich werde ich auch in Sachen Gehalt erstmal wieder Abstriche machen müssen, um Fuß zu fassen. Die Falle ist hier, dass sich die erforderlichen Investitionen so negativ anfühlen, dass man – selbst wenn eine andere Karriere im Prinzip sehr verlockend aussieht – die ganze Idee beiseiteschiebt und aufgibt.

Ich versuche mir momentan ein neues relationales Verhältnis bewusst zu machen: Ich denke immer noch viel zu oft „Ich bin schon 33. Ich sollte im Job angekommen sein. Ich sollte meinen Karriereweg kennen.“ (Hallo Perfektionsfalle!) Statistisch gesehen erreichen die meisten Menschen den Höhepunkt in ihrem Arbeitsleben gemessen an Erfolg und Geld aber erst mit Mitte 50. Ich habe also noch Zeit. Außerdem sind 2-3 Jahre Arbeitsinvestition gemessen an einem ganzen Arbeitsleben nur ein Augenaufschlag. Die Investition, die ich jetzt tätige, hat im besten Fall positive Auswirkungen auf langjährige Zufriedenheit.

 

Die Reuefalle

Es gibt so viele Jobs und Karrieremöglichkeiten. Und potenziell können so viele passend sein. Man muss eine Entscheidung treffen und sich für etwas zu entscheiden, bedeutet immer auch sich gegen etwas anderes zu entscheiden. Ich habe große Sorgen, dass auch meine nächste Entscheidung falsch sein könnte. Dass ich nach einiger Zeit schon wieder von vorne anfangen muss.

Ein Leben ohne Reue existiert aber nicht. Ich werde das Risiko und eine eventuelle Fehlentscheidung in Kauf nehmen müssen. Ich versuche das Fehlerpotential zu minimieren, indem ich mit Sinn, Verstand und Gefühl an die Sache herangehe, mehr in mich hineinhöre, in das, was mir echte Freude bereitet, was authentisch zu mir passt und versuchen mich nicht von den diversen Fallstricken verwickeln zu lassen.

"Dass uns unsere Berufung schon irgendwann zufliegen wird, wenn wir nur aufmerksam und geduldig sind, ist ein Mythos, der uns bewegungslos und passiv macht. Man muss sich schon auf Neues aktiv einlassen, Neues ausprobieren, um herauszufinden, welche Tätigkeiten einen wirklich zufrieden machen."

Zeit nehmen, aber nicht Tee trinken: Ein paar Tipps für die Suche nach dem Traumjob

Ich nehme mir also momentan Zeit, versuche in keine Fallen zu tappen und nicht voreilig irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Ich grüble aber auch nicht einfach vor mich hin, um einen neuen Job zu finden, sondern sammle aktiv Ideen und das ganz handfest: Ich habe mir eine Notizensammlung zum Thema Jobsuche angelegt und trage dort mein Analysematerial zusammen, namentlich:

Gesprächsnotizen

Ich habe viele Freunde und Bekannte, die einen Job haben, der mich interessiert oder aber in einem Setting arbeiten, das mich fasziniert, um Treffen gebeten. Die bisherigen Gespräche waren sehr aufschlussreich. Manchmal hat man auch nur einen Job-Crush – man idealisiert einen möglichen Traumberuf. Wenn man sich aber offen und ehrlich austauscht und ins Detail geht, kann man besser feststellen, ob das Bild vom Traumjob denn tatsächlich mit der Realität übereinstimmt.

Der Berufungsmythos

Und dann gibt es da noch den Berufungsmythos:

Eine Berufung ist eine starke innere Motivation oder ein Gefühl der Bestimmung, eine spezifische Lebensrichtung zu verfolgen. Es ist das tiefe Gefühl, dass eine bestimmte Tätigkeit oder Lebensweg dem eigenen Lebensziel, den Fähigkeiten oder der Leidenschaft entspricht.

Menschen, die mit ihrem Tun ihrer Berufung folgen, erleben oft ein starkes Gefühl der Erfüllung, Zufriedenheit und Zweckmäßigkeit.

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein… Und das ist es auch. Sicher, man kann einen Job finden, der nicht nur den Lebensunterhalt sichert, sondern auch persönliche Befriedigung und ein Gefühl von Sinn und Bedeutung bietet. Das was die Berufung zum Mythos macht, sind zwei Irrglauben:

  1. dass ein erfüllender Job im Sinne einer Berufung ein durchgängiges Gefühl der Erfüllung und Zufriedenheit hervorruft

Bleiben wir realistisch: Jeder Beruf, egal wie erfüllend er ist, wird uns phasenweise auch mal langweilen oder aber einzelne Tätigkeiten mit sich bringen, die wir ungern machen. Es ist wie mit einer Beziehung: Nur, weil uns der Partner mal auf die Nerven geht oder wir immer seine Socken vom Boden einsammeln müssen, heißt das noch lange nicht, dass der Partner grundsätzlich nicht zu uns passt. Und nur, weil wir für unseren Traumjob auch lästige Arbeiten erledigen müssen, heißt das nicht, dass wir im falschen Job sind. Aber der Fokus sollte stimmen und die Freude und Zufriedenheit überwiegen.

  1. dass uns die eigene Berufung als quasi-himmlische Eingebung einfach zufliegen wird

Fast noch gefährlicher ist der Irrglaube, ein erfüllender Beruf müsse sich einem wie eine göttliche Eingebung von selbst offenbaren. Dass uns unsere Berufung schon irgendwann zufliegen wird, wenn wir nur aufmerksam und geduldig sind, ist ein Mythos, der uns bewegungslos und passiv macht. Man muss sich schon auf Neues aktiv einlassen, Neues ausprobieren, um herauszufinden, welche Tätigkeiten einen wirklich zufrieden machen.

Momente der Freude und Zufriedenheit

Immer wenn ich etwas mache, das mir Freude bereitet, vermerke ich es – und das arbeitsunabhängig. Ich habe beispielsweise gemerkt, dass ich gerne Treffen organisiere und für das Treffen ein schönes Ambiente herrichte oder auswähle. Und ich habe bemerkt, dass ich auch in meiner Freizeit gerne lese und lerne und das Gelernte direkt weiterverarbeite und in eine Form bringe.

Momente der Eifersucht

Eifersucht ist kein angenehmes Gefühl, aber doch ein guter Kompass. Wann immer ich Eifersucht oder Neid verspüre, vermerke ich es und versuche herauszufinden, was genau es ist, das der andere hat und ich nicht. Spannend ist, dass häufig etwas ganz anderes hinter der Eifersucht steckt als ursprünglich angenommen.

Input-Perspektiven

Häufig suchen wir uns Jobs oder Branchen auf Basis einer output-orientierten Sichtweise aus. Sprich: Wir richten unser Augenmerk auf Branchen, die Dinge produzieren, die wir gerne konsumieren. Ich sehe mir Stellenangebote mittlerweile verstärkt nach dem Input-Prinzip an und frage mich, ob die gelisteten Tätigkeiten mir Spaß machen könnten.

Selbstreflexions-Übungen

Nur wenn man sich selbst gut kennt, kann man auch etwas Passendes für sich finden. Das gilt für alle Lebensbereiche – die Partnerwahl zum Beispiel, aber auch die Jobwahl. Es gibt viele hilfreiche Selbstreflexions-Übungen, die explizit für die Jobsuche geeignet sind. Mir gefällt unter anderem das Ikigai-Diagramm sehr gut. Es ist ein Werkzeug, das verwendet wird, um das persönliche Lebensziel zu finden, indem es vier Aspekte des Lebens betrachtet:

  • Dinge, die du liebst
  • Dinge, in denen du gut bist
  • Dinge, für die du bezahlt werden kannst
  • Dinge, die die Welt braucht

Die Schnittmenge dieser vier Aspekte – das, was du liebst, was du gut kannst, wofür du bezahlt werden kannst und was die Welt braucht – ist der Punkt, an dem Leidenschaft, Berufung, Beruf und Mission zusammenkommen.

Egal welche Reflexionsübung man wählt: Aus meiner Perspektive ist es wichtig, die Methoden nicht einfach nur in der Theorie zu durchdenken, sondern wirklich auszuprobieren und ins Tun zu kommen.

IKIGAI japanische Jobsuche-Uebung
Das Wort "ikigai" setzt sich aus "iki" (Leben) und "gai" (Wert oder Nutzen) zusammen und bedeutet im Wesentlichen "das, wofür es sich zu leben lohnt"

Etwas mehr Mitgefühl für sich selbst schadet nie

Man stelle sich vor: Man wählt in jungen Jahren bereits genau die passende Tätigkeit für sich, es bieten sich einem genau zum richtigen Zeitpunkt wichtige neue Aufstiegsmöglichkeiten, die man ergreift, man verhandelt hervorragende Verträge, klettert von einem Höhepunkt zum nächsten, steigt im idealen Moment stets in neue vielversprechende Bereiche ein, erhält öffentliche Anerkennung für seine Anstrengungen und geht mit dem Gefühl in den Ruhestand, das erreicht zu haben, was man sich vorgenommen hat.

Ein so geradliniger, unbeschwerter, fast gemalter Karriereweg ist so wahrscheinlich wie ein 6er im Lotto. Nur wenige Menschen (wenn überhaupt) sind über ihr gesamtes Berufsleben hinweg so erfolgreich und zufrieden mit ihrer Jobwahl.

Mein schulischer und universitärer Lebensweg, den ich eingangs beschrieben habe, wirkt für mich selbst ja fast unrealistisch. Wie wahrscheinlich wäre es gewesen, dass alles genauso weitergeht.

Wie gesagt: Es fällt mir schwer, mich aktuell nicht als Versagerin abzustempeln. Und ich bin sicher nicht komplett unschuldig an meiner jetzigen Situation. Ich habe bewusst bestimmte Entscheidungen für mich getroffen. Aber ich hatte daneben auch wirklich viel Pech. Ich wollte sicherlich nicht während Corona ein ganzes Jahr lang arbeitslos sein. Ich habe mich in meinem Studium angestrengt, um karrieretechnisch an der Uni Fuß zu fassen und war damit auf dem Papier ja auch sehr erfolgreich. Dass die Joblage an den Universitäten so ernüchternd sein würde, konnte ich nicht vorhersehen. Und ganz bestimmt wollte ich nicht mit Anfang 30, nur drei Wochen nach meiner Kündigung, an Brustkrebs erkranken.

Man muss sich wirklich darin üben, sich trotz oder gerade während des eigenen Scheiterns das Mitgefühl für sich selbst zu bewahren und sich nicht zusätzlich selbst unter Druck zu setzen. Und das ist aus meiner Sicht die wahrscheinlich größte Herausforderung.

 

Quellen:

„A Job to Love: A Practical Guide to Finding Fulfilling Work by Better Understanding Yourself.“ (School of Life Library); Duckworth Books, 2018.

Bilder: 

Erleuchtung von Kellepics, copyright @pixabay

Traumjob Architekt von Jarmoluk, copyright @pixabay

Karriere-Wegweiser von Gerd Altmann copyright @pixabay

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