Warum viele Frauen einen unklaren Kinderwunsch haben

Immer mehr Frauen entscheiden sich bewusst dafür kinderlos zu bleiben. Wieder andere sind sich einfach nie so ganz sicher, ob sie ein Kind haben möchten. Woher rührt diese Unsicherheit und wie lässt sie sich auflösen?

Inhaltsverzeichnis

„Ich wollte nur Kinder, eine Frau und ein Haus – und du wolltest mir das nicht geben!“

Mit Ende 20 ging eine langjährige Beziehung von mir dramatisch zu Ende. Mein damaliger Partner schlug gegen die Wände unserer gemeinsamen Wohnung und schrie: „Ich wollte nur Kinder, eine Frau und ein Haus – und du wolltest mir das nicht geben!“ An diese Szene musste ich denken, als ich vom Gynäkologenstuhl herunterstieg und mir Tränen über mein Gesicht liefen.

Möchte ich eine Eizellentnahme mit Brustkrebs?

Vor nicht einmal einer Woche hatte ich meine Brustkrebsdiagnose erhalten und war ins Kinderwunschzentrum geschickt worden (Weshalb diese Untersuchung angeordnet wurde, inwiefern eine Brustkrebserkrankung der Fruchtbarkeit schädigen kann und welche sozialen und körperpolitischen Ungerechtigkeiten an eine Eizellentnahme geknüpft sind, erfährst du in meinem Blogbeitrag Kinderwunsch mit Krebs?).

Es war mein erster Arzttermin in einer langen Riege an Untersuchungen, die noch folgen sollten. Es war überfordernd sich in dieser Situation mit dem Thema Kinderwunsch auseinanderzusetzen. Ich wusste noch kaum etwas über meine Erkrankung. Ich wusste nicht einmal, ob der Tumor in meiner linken Brust bereits gestreut hatte. Noch dazu saß meine Mutter, die nur drei Monate vor mir ihre Brustkrebsdiagnose erhalten hatte und gerade ihre eigene Chemotherapie durchlief, neben mir im Besprechungszimmer, während uns zwei Ärztinnen über die Chancen und Risiken einer Eierstockstimulation bei Brustkrebs aufklärten:

Ich war und bin jung, daher würden bei einer Eizellentnahme die Chancen für eine spätere erfolgreiche Befruchtung gutstehen. Es wäre aber ein zusätzlicher Eingriff, der mit nicht unwesentlichen Kosten verbunden ist. Hinzu kam: Wenn man einen hormonabhängigen Brustkrebs hat, so wie ich, kann die Stimulation die schädliche Zellteilung sogar befeuern.

Gemessen an meiner letzten Periode könne man eventuell schon Ende der Woche mit der Stimulation beginnen und damit vor meiner Tumor-Op die Eizellen entnehmen. Bis Freitag hätte ich Zeit mich für oder gegen die Behandlung zu entscheiden. Aber einen Ultraschall müssten sie jetzt schon von meinen Eierstöcken machen.

Unerwartete Hürden

Dass etwas nicht stimmte, merkte ich erst, als die Ärztin mit dem Ultraschallgerät immer wieder von rechts nach links wanderte. „Hier sehe ich nur 3 Eizellen. Links überhaupt keine.“, klärte sie mich auf. „An beiden Eierstöcken sehe ich Zysten, die viel Raum einnehmen. Die Eizellen haben zu wenig Platz. Und selbst wenn mehr Eizellen da wären: Wir müssten für die Entnahme durch die Zysten hindurchstechen. Das Infektionsrisiko ist viel zu hoch.“ Sie schwenkte nach rechts. „Die hier sieht mir aus wie eine Endometriose-Zyste.“ Sie schwenkte wieder nach links. „Und diese hier ist von Gewebe durchzogen… die gefällt mir noch weniger. Es tut mir Leid, wir können so keine Eizellentnahme machen.“

Eierstoecke mit Zysten und Endometriose
Während meine Schwester Ultraschallaufnahmen von ihrem heranwachsenden Sohn erhielt, erhielt ich Aufnahmen meiner verzysteten Eierstöcke

Eine Sorge weniger

Ich stieg vom Gynäkologenstuhl und Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich hatte Angst. Ich dachte: „Das war’s. Der Krebs ist auch dort angekommen.“ Und ich schämte mich. Schämte mich zu wissen, dass meine Mutter nur wenige Meter entfernt hinter mir saß und mitbekommen musste, dass sie von mir keine Enkelkinder zu erwarten hatte.

Den restlichen Tag verbrachten wir wie in Trance. Wir hatten uns vorgenommen in einem Abendmodegeschäft für die Hochzeit meiner – noch dazu schwangeren – Schwester etwas Passendes zum Anziehen zu finden. Immer wieder liefen mir still die Tränen runter. Immer wieder nahm mich meine Mutter in den Arm. „Weißt du“, sagte ich irgendwann. „Immerhin muss ich mir jetzt keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich jemals Kinder haben möchte. Und mir kann jetzt auch kein Mann mehr vorwerfen, ich würde ihm keine Kinder schenken.“

Wann wünsche ich mir ein Kind?

Ich hatte nur ein einziges Mal in meinem Leben die Fantasie gehabt, ein Kind zu bekommen. Damals war ich in der Anfangsphase einer neuen Beziehung, verliebt und am Träumen. Als die Beziehung eine abrupte Kehrtwende nahm und in eine sehr schmerzhafte On-Off-Situation mutierte, verschwand der Kinderwunsch genauso schnell wie er gekommen war.

Aber die Frage, ob und in welchen Momenten ich mir ein Kind wünsche, kam mir jüngst erst wieder in den Sinn als meine Schwester ihren Sohn zur Welt brachte.

Liebe auf den ersten Blick

Mein Neffe kam am 1.1.24 um 1:12 Uhr zur Welt. Er war das erste Neujahrsbaby der Stadt München und schaffte es, abgelichtet gemeinsam mit seinen stolzen Eltern, in die Zeitung. Seit fünf Tagen war die Geburt eingeleitet worden. Seit fünf Tagen hatten wir auf den kleinen Sturkopf gewartet. Aber der errechnete Geburtstermin war der erste Januar und das schien der kleine Mann sehr ernst genommen zu haben.

Als ich am Neujahrsmorgen die Bilder meines Neffen auf dem Handy sah, fing ich an zu weinen. Als ich am Nachmittag desselben Tages meine Schwester mit ihrem Sohn im Arm sah, fing ich an zu weinen. Als ich den kleinen Mann kurz darauf selbst im Arm hielt, fing ich an zu weinen.

Ich weinte vor Freude und vor Erleichterung. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass meine Brustkrebserkrankung und die daraus resultierenden verminderten Chancen jemals ein eigenes Kind zu bekommen, mich verbittern würden. Dass ich meiner Schwester ihr Familienglück eventuell nicht gönnen würde. Dass ich meinen Neffen nicht würde annehmen können. Aber das Gegenteil war der Fall: Ich war sofort verliebt. Meditativ in sein kleines süßes Gesicht versunken, streichelte ich ihm immer wieder über Kopf, Haare und Wangen. Ich wollte ihn gar nicht mehr hergeben.

Mein Neffe Matteo kam als erstes Neujahrsbaby Münchens 2024 direkt in die Zeitung

Wieso dieser unklare Kinderwunsch?

Wieso also war und bin ich mir noch immer so unsicher, ob ich jemals eigene Kinder haben möchte? Ganz einfach:

Ich möchte einen Partner, der um meinetwillen mit mir zusammen ist und nicht, weil ich irgendeine Funktion oder Rolle, sei es nun Ehefrau oder Mutter seiner Kinder, einnehme. Dass er selbstsicher und verlässlich ist, mir eine Stütze und ein Partner auf Augenhöhe sein kann und gleichberechtigt mit anpackt. Ansonsten kommt der Kinderwunsch gar nicht erst auf oder er verschwindet eben sehr schnell wieder.

Der eingangs erwähnte Ex-Freund, der sich bei mir brüllend über seinen unerfüllten Kinderwunsch beschwert hatte, hatte mir übrigens einige Jahre zuvor von einem Gespräch mit seiner Großmutter berichtet. Diese war sehr begeistert von mir gewesen und hatte mich in den höchsten Tönen gelobt. „Ja“, hatte mein Ex-Freund zu ihr gesagt „Die Laura ist super. Schade nur, dass sie keine Kinder möchte.“ – „Keine Kinder?!“, hatte die Großmutter seiner Erzählung nach verblüfft erwidert. „Welchen Sinn hat denn dann diese Beziehung?“

Welchen Sinn hat dann die Beziehung? Welchen Sinn habe dann ich? Ist die einzige Daseinsberechtigung einer Frau im Leben eines Mannes wirklich ihre Fähigkeit oder Bereitschaft Kinder zu gebären? Ich denke nicht. Manche Frauen können keine Kinder bekommen, andere wollen es nicht und wieder andere – so wie ich – wollen sich nicht auf eine Entscheidung festnageln lassen. Alle drei Varianten sind legitim.

Gibt es für mich eine Zukunft mit Kind?

Dank der Idee einer guten Freundin, meine Zysten operativ entfernen zu lassen, konnte ich noch vor Chemobeginn eine Eierstockstimulation und eine Eizellentnahme durchführen. Viele Eizellen konnten nicht entnommen werden, aber immerhin eine Hand voll. Außerdem besteht immer noch die Chance, dass meine Eierstöcke trotz Chemo intakt bleiben. Meine Endometriose und die Tatsache, dass ich nach Abschluss meiner Antihormonbehandlungen bereits 38 sein werde, erschweren es zwar, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass ich Kinder werde haben können. Ob der Wunsch noch einmal aufkommen wird, ist jedoch unklar.

Wie wir Frauen wieder mehr Sicherheit erlangen können

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus und auch aus den Geschichten, die ich immer wieder von Freundinnen und Bekannten höre, komme ich immer wieder zu demselben Schluss: Ein Großteil der Unsicherheit in Bezug auf das Thema Kinderwunsch rührt aus einer Diskrepanz zwischen einer neuen Welt und veralteten Rollenbildern. Ich wünschte, die Männer würden sich mehr Gedanken darüber machen, inwiefern sie in unseren modernen Zeiten ihrer Frau ein tatsächlich verlässlicher, starker Partner auf Augenhöhe sein können – ja, auch und gerade die jüngeren Männer, die vielfach glauben, die Gleichberechtigung der Geschlechter auf gesellschaftlicher Ebene sei schon längt Realität und dass auch sie alle Menschen gleich behandeln würden (was selten der Fall ist, wenn man genau hinsieht).

Uns Frauen plagen viele Ängste und Nöte, die die Männerwelt gar nicht kennt. Früher sollten wir tatsächlich nur zu Hause bleiben, Kinder bekommen und den Haushalt schmeißen. Jetzt dürfen und sollen wir arbeiten. Ich sage bewusst „dürfen und sollen“. Meist haben wir keine Wahl – selbst wenn der Partner Topverdiener ist. Denn unsere Welt ist schlichtweg zu unsicher. Allein schon in den ersten Lebensjahren des Kindes in Elternzeit zu gehen, bereitet vielen von uns Bauchschmerzen, denn: Was ist, wenn wir beruflich den Anschluss verlieren? Was ist, wenn sich unser Partner in dieser Zeit von uns trennt? Wie kann ich finanziell abgesichert und – fast noch herausfordernder – für den Arbeitsmarkt beruflich relevant bleiben bei der Geschwindigkeit, in der sich die Welt mittlerweile verändert? All das sind Fragen, die sich viele von uns stellen und die uns Sorgen bereiten.

Einen Mann an der Seite zu haben, der diese Ängste wirklich versteht und nicht nur mit Worten, sondern mit Taten ernst nimmt, kann dabei eine große Erleichterung sein. Häufig sehe ich aber immer noch alte Rollenbilder: Die Männer lieben ihre Frauen, sichtlich und unbestritten, aber diese Liebe zeigt sich in einem großen Wunsch ihre Frauen zu versorgen anstatt ihnen dabei zu helfen sich selbst zu versorgen. Wer weiß: Vielleicht haben die Männer wiederum Angst, sie könnten nicht mehr relevant sein, wenn sie nicht mehr die Um- und Versorgerrolle einnehmen (Meinungen zu dieser These würden mich tatsächlich sehr interessieren). Aber ich persönlich bevorzuge jederzeit einen Partner, der es schafft, mich in meinem eigenen Wachstum zu unterstützen anstatt mir alles abzunehmen. Ein solcher Mann könnte niemals irrelevant für mich werden. Und ich weiß, dass mir viele Frauen aus meinem Umfeld in diesem Punkt zustimmen. Und dann wäre vielleicht, aber nur vielleicht, auch der Wunsch nach einem Kind bei vielen von uns nicht mehr so unsicher.

Quellen:

Bilder: 

Mutter mit Baby von Pexels, copyright @pixabay

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